21.03.2025BME-News

Zu Gast beim Deutschen Fußballmeister: Vertragsverhandlung im Fußball

Am 18. März 2025 hatte die BME-Region Köln die Gelegenheit, Bayer 04 Leverkusen, den amtierenden deutschen Fußballmeister und Pokalsieger, zu besuchen.
Vertragsverhandlungen im Fußball: Zu diesem Themenkomplex referierte Thomas Eichin, Direktor Lizenz bei Bayer Leverkusen, beim Top-Event der BME-Region Köln in der BayArena.© BME-Region Köln

Im Rahmen eines innovativen „Pressekonferenzformats“ gewährte Thomas Eichin, Direktor Lizenz bei Bayer 04 Leverkusen, den Einkaufsmanager:innen der BME-Region Köln aufschlussreiche Einblicke in die komplexen Mechanismen und Strategien von Vertragsverhandlungen.

Diese Thematik ist nicht nur für den Einkauf von zentraler Bedeutung, sondern spielt auch im Profifußball eine entscheidende Rolle. In einer Branche, in der Millionenbeträge und die langfristige Zukunft von Spielern, Trainern und Vereinen auf dem Spiel stehen, ist ein tiefgehendes Verständnis der Verhandlungsprozesse unerlässlich.

Bereits auf dem Weg zur BayArena stellten sich die Teilnehmer:innen die Frage, welchen Mehrwert der Einkauf aus dieser Diskussion ziehen kann. Die Veranstaltung erwies sich als äußerst erkenntnisreich: Sie verdeutlichte, dass Wissenstransfer nicht nur innerhalb eines Unternehmens, sondern auch branchenübergreifend entlang der gesamten Lieferkette von essenzieller Bedeutung ist. Der Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen eröffnet neue Perspektiven und trägt dazu bei, innovative Ansätze für eine zukunftsweisende Gestaltung des strategischen Einkaufs zu entwickeln.

Zentrale Erkenntnisse aus der Diskussion:

Unternehmen sind auf transparente Lieferketten angewiesen, um stabile und wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle zu sichern. Thomas Eichin verdeutlichte die Herausforderungen in Verhandlungen mit Agenturen, insbesondere das Risiko unseriöser Praktiken im Zusammenhang mit hohen Geldsummen. Während der Nachwuchsbereich oft von Unsicherheiten geprägt ist, weist der Profibereich eine strukturiertere Organisation auf. Für eine langfristig erfolgreiche Beschaffung bedeutet dies, dass etablierte Lieferantenbeziehungen zwar weniger administrativen Aufwand erfordern, resiliente Lieferketten jedoch nur durch den kontinuierlichen Austausch mit innovativen Partnern entstehen. Ohne eine fundierte Risikoanalyse wird das Lieferantenmanagement zunehmend komplex, insbesondere im Hinblick auf Kostenoptimierung. Zudem reicht eine langfristige Vertragslaufzeit allein nicht mehr aus – erfolgreiche Partnerschaften erfordern eine strategische und flexible Ausgestaltung.

Die Frage nach der Bewertung des Marktwerts eines Spielers führte zu einer äußerst aufschlussreichen Diskussion. Während der Einkauf traditionell auf Kostenoptimierung ausgerichtet ist, lässt sich dieses Prinzip im Fußball nicht unmittelbar anwenden. Die Verhandlungslogik zielt vielmehr darauf ab, Spielern eine attraktive Perspektive zu bieten, um ihr Interesse am Verein zu wecken. Damit steht die Spielerbetreuung im Fokus, um Fußballer möglichst lange an den Verein zu binden. Überträgt man diese Denkweise auf die Beschaffung, insbesondere im Kontext einer zunehmenden Marktverengung, stellt sich die Frage, wie Unternehmen für exzellente Lieferanten attraktiver werden können. Dabei darf der Fokus nicht ausschließlich auf der Preisgestaltung liegen, sondern auf z.B. gemeinsamen nachhaltigen Maßnahmen, die langfristig auch Kostensenkungen für die Lieferanten bewirken oder die Lebensumstände der Mitarbeiter des Zulieferunternehmens verbessern. In diesem Kontext verliert die klassische Preisverhandlung an Bedeutung zugunsten strategischer Partnerschaften mit Mehrwert für beide Seiten.

Im Rahmen der Lieferantenbewertung wurde die Frage aufgeworfen, welche Faktoren ausschlaggebend sind, um das Interesse an einem Spieler zu wecken. Die Antwort darauf verdeutlichte eine differenzierte Perspektive: Während lediglich 20 Prozent der Entscheidung auf die fußballerische Qualität entfallen, bestimmen charakterliche Eigenschaften wie Sozialkompetenz, Durchsetzungsvermögen und Motivation zu 80 Prozent die Attraktivität eines Spielers. Überträgt man diesen Ansatz auf die Bewertung von Lieferanten, bedeutet dies, dass neben klassischen Kriterien wie Preis, Qualität und Lieferzuverlässigkeit (analoge zur fußballerischen Qualität) zunehmend Kompetenzen in den Bereichen Innovation, Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz (KI) an Bedeutung gewinnen. Eine Fußballmannschaft kann nur erfolgreich agieren, wenn sie als funktionierende Einheit auftritt – die bloße Anwesenheit einzelner herausragender Spieler reicht nicht aus. Dies lässt sich auf die Beschaffung übertragen: Um aktuelle Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es eines strategisch ausgerichteten, unternehmerisch denkenden Einkaufs, der operative Prozesse konsequent durch E-Procurement-Lösungen automatisiert und sich auf langfristige Wertschöpfung konzentriert.

Auf die Frage nach dem Einsatz von KI im Scouting ergab sich eine weitere zentrale Erkenntnis: Im Profifußball werden umfassende Datenanalysen genutzt, um die Spielqualität zu verbessern, jedoch verbleibt die letztendliche Entscheidungsfindung bei den Verantwortlichen. Diese Logik sollte sich auch im strategischen Einkauf etablieren – KI kann Entscheidungsprozesse beschleunigen und vereinfachen, sie jedoch nicht vollständig ersetzen. Daraus ergibt sich eine essenzielle Anforderung an Führungskräfte: Die Übernahme von Verantwortung bleibt unerlässlich, auch in einem zunehmend datengetriebenen und automatisierten Umfeld.

Ein weiterer zentraler Diskussionspunkt betraf die Gestaltung von Vergütungsstrukturen. Im Profifußball existieren zwar variable Prämienmodelle, diese beziehen sich jedoch selten auf individuelle Spielerleistungen, sondern primär auf den Teamerfolg, etwa in Form von Punkteprämien oder Bonuszahlungen für das Erreichen der Champions League. Im Einkaufsmanagement hingegen sind Bonussysteme oder vergleichbare Anreizmechanismen kaum verbreitet, da der Fokus nach wie vor überwiegend auf der reinen Kostensenkung liegt. Um den Einkauf strategisch weiterzuentwickeln, sollten Unternehmen ihre Vergütungsmodelle überdenken und nicht nur Chief Procurement Officers (CPOs) durch Bonussysteme incentivieren, sondern das gesamte strategische Einkaufsteam einbinden. Dies erfordert eine Neuausrichtung der Einkaufsstrategie sowie die Definition klarer Zielsetzungen, die über reine Preisreduktionen hinausgehen und beispielsweise Aspekte wie Innovationsförderung, Nachhaltigkeit oder Risikoabsicherung berücksichtigen.

Der Besuch bei Bayer 04 Leverkusen bot spannende Einblicke in die komplexe Welt der Vertragsverhandlungen im Profifußball – ein Bereich, der überraschende Parallelen zum strategischen Einkauf aufweist. Die Diskussion verdeutlichte, dass neben klassischen Verhandlungstaktiken insbesondere strategische Partnerschaften, Innovationsfähigkeit und nachhaltige Wertschöpfung entscheidend für langfristigen Erfolg sind – sowohl im Fußball als auch in der Beschaffung.

Weitere Infos/Kontakt:
Prof. Dr. Lisa Fröhlich
Vorstandsmitglied der BME-Region Köln
E-Mail: lisa.froehlich@ispira-thinktank.com