US-Wahl und deutsche Wirtschaft: Neue Herausforderungen, frische Impulse?
Als größte Volkswirtschaft der Europäischen Union (EU) und führende Exportnation ist Deutschland in besonderer Weise von den Entwicklungen in den USA betroffen. Auch der Bereich Beschaffung und Supply Chain Management ist eng mit den transatlantischen Beziehungen verflochten.
So wichtig sind die USA für die deutsche Wirtschaft
Wichtigste Handelspartner Deutschlands nach Wert der Exporte/Importe 2023:
Exporte:
- USA 157,9 Milliarden Euro
- Frankreich 120,5 Milliarden Euro
- Niederlande 115,2 Milliarden Euro
- China 97,3 Milliarden Euro
Importe:
- China 157,1 Milliarden Euro
- Niederlande 104,8 Milliarden Euro
- USA 94,7 Milliarden Euro
- Polen 81,7 Milliarden Euro
Dies verdeutlicht, dass die USA nicht nur als Abnehmer deutscher Produkte, sondern auch als wichtiger Beschaffungsmarkt für Rohstoffe und Vorprodukte eine zentrale Rolle spielen. Angesichts einer Exportquote von über 48 % (gemessen am Anteil der Exporte am Bruttoinlandsprodukt) ist die Stabilität der deutschen Wirtschaft maßgeblich von den politischen Entscheidungen in den USA abhängig. Auch für die EU ist der Handel mit den USA ein Schlüsselelement der Wirtschaftspolitik.
Um die deutsche Wirtschaft auf alle möglichen Entwicklungen im Zusammenhang mit den US-Wahlen vorzubereiten, sind gezielte wirtschaftspolitische Strategien erforderlich.
Herausforderungen und Maßnahmen
1. Handelspolitische Risiken und Protektionismus
Die USA sind Deutschlands wichtigster Exportmarkt. Eine protektionistische Handelspolitik der USA könnte sich daher unmittelbar auf deutsche Industrien wie den Maschinenbau und die Automobilindustrie auswirken. Mögliche Maßnahmen wie erhöhte Zölle oder Importbeschränkungen würden die gesamte Wertschöpfungskette beeinflussen.
Vorschlag: Stärkung des EU-US Trade and Technology Council (TTC)
Die Bundesregierung könnte sich auf EU-Ebene für eine Erweiterung der Kompetenzen des TTC einsetzen. Das Ziel ist es, den TTC als Forum für den frühzeitigen Dialog zu protektionistischen Maßnahmen und Handelskonflikten zu nutzen und konkrete Lösungsstrategien für betroffene Branchen zu entwickeln. Eine stärkere Einbindung des TTC kann helfen, ein stabiles transatlantisches Handelsumfeld zu schaffen.
2. Regulatorische Unsicherheiten und Compliance-Kosten
Strengere Umwelt- und Sicherheitsstandards in den USA können Anpassungskosten für deutsche Unternehmen verursachen. Laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) erwarten über 60 % der deutschen Unternehmen zusätzliche Compliance-Kosten durch regulatorische Anforderungen in den USA.
Vorschlag: Etablierung eines EU-USA-Regulierungsdialogs
Die Bundesregierung könnte die Einrichtung eines dauerhaften Regulierungsdialogs zwischen der EU und den USA forcieren. Ziel wäre die Harmonisierung regulatorischer Standards, um Compliance-Kosten zu reduzieren und gleichzeitig den Marktzugang für Unternehmen zu erleichtern. Eine derartige Plattform könnte Investitionssicherheit und wirtschaftliches Vertrauen auf beiden Seiten stärken.
3. Technologie- und Innovationspolitik
Striktere Technologiekontrollen in den USA könnten den Zugang zu Schlüsseltechnologien, insbesondere im IT- und Automobilsektor, erheblich erschweren. Dies würde die Innovationskraft deutscher Unternehmen schwächen und deren Wettbewerbsfähigkeit mindern.
Vorschlag: Aufbau einer europäischen Technologie-Allianz
Die Bundesregierung könnte eine europäische Technologie-Allianz fördern, um die technologische Souveränität Europas zu stärken und gemeinsame Forschungs- und Innovationsprojekte zu initiieren. Dies würde das Risiko durch verschärfte Technologiekontrollen in den USA reduzieren.
4. Geopolitische Spannungen und Sanktionen
Die geopolitische Neuausrichtung der USA, insbesondere im Hinblick auf China, könnte zu erheblichen Spannungen führen, die auch den Handel Deutschlands mit China beeinträchtigen könnten. Da China 6,2 % des deutschen Exportvolumens ausmacht, würde ein verschärfter Handelskonflikt erhebliche Auswirkungen auf deutsche Unternehmen haben, die in globalen Lieferketten eingebunden sind.
Vorschlag: Strategische Rohstoffpartnerschaften
Um Abhängigkeiten von einzelnen Märkten zu reduzieren, könnte die Bundesregierung auf strategische Partnerschaften mit Drittstaaten setzen, die langfristige Lieferabkommen beinhalten. Eine breite Rohstoffbasis würde Lieferketten stabilisieren und deutschen Unternehmen ermöglichen, auf geopolitische Veränderungen flexibler zu reagieren.
5. Veränderungen im Zoll- und Handelsrecht
Eine Neuausrichtung der US-Zollpolitik könnte zusätzliche Kosten und bürokratische Hürden für deutsche Unternehmen bedeuten. Die dadurch entstehenden Kosten und Verzögerungen könnten die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte auf
dem Weltmarkt deutlich beeinträchtigen.
Vorschlag: Stärkung des europäischen Binnenmarkts
Die Bundesregierung könnte innerhalb der EU dafür werben den Ausbau neuer Freihandelsabkommen mit strategischen Partnern zu fördern, um die Abhängigkeit von einzelnen Märkten zu verringern. Darüber hinaus mindert ein diversifiziertes Handelsnetzwerk die Auswirkungen protektionistischer Maßnahmen.
Fazit
Die Auswirkungen der US-Wahlen auf die deutsche Wirtschaft sind weitreichend und betreffen die Beschaffung und Supply Chain Management sehr. Deutschland, als eine der führenden Exportnationen der Welt, ist stark auf stabile transatlantische Beziehungen angewiesen. Protektionistische Tendenzen, regulatorische Unsicherheiten und geopolitische Spannungen könnten erhebliche Herausforderungen für deutsche Unternehmen darstellen.
Um diesen Risiken entgegenzuwirken, sind proaktive Maßnahmen gefragt. Der Ausgang der Präsidentschaftswahl am 5. November in den USA ist dabei unerheblich, denn es kann nach Beobachtungen auch schon heute vorhergesagt werden, dass die transatlantischen Beziehungen in ein neues Kapitel eintreten werden.