13.06.2024Konjunktur

Institute erwarten leichte Konjunkturerholung

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte in diesem Jahr um bis zu 0,4 Prozent steigen. Eine hohe konjunkturelle Dynamik zeichne sich jedoch noch nicht ab.
Sehen etwas Licht am Ende des deutschen Konjunkturhimmels: Die Institute IfW, RWI und IWH stellten ihre Sommerprognosen für den weiteren Verlauf der größten Volkswirtschaft der Eurozone vor.© leolintang/iStock

Die Wirtschaftsforschungsinstitute IfW, RWI und IWH haben ihr Sommerprognosen zur weiteren Entwicklung der Konjunktur in Deutschland vorgestellt. Danach ist für die zweite Jahreshälfte und 2025 mit einer leichten Erholung der Wirtschaftsleistung zu rechnen:

Laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) setzt in Deutschland eine moderate Konjunkturerholung ein. Im laufenden Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung – der eigenen Sommerprognose zufolge – um 0,2 Prozent zulegen (Frühjahrsprognose: 0,1 Prozent). Getragen werde die Erholung vor allem von den wieder anziehenden Exporten und dem Konsum, teilte das IfW mit. Eine hohe konjunkturelle Dynamik zeichne sich jedoch nicht ab. Für 2025 rechnet das IfW Kiel mit einem BIP-Anstieg in Höhe von 1,1 Prozent (Frühjahrsprognose: 1,2 Prozent). Die Inflationsrate dürfte sich bei etwa zwei Prozent einpendeln. Der Arbeitsmarkt zeige sich weitgehend robust, heißt es weiter.

„Das Konjunkturbild einer mühsamen Erholung gewinnt an Konturen. Nach dem Auslandsgeschäft dürfte im weiteren Jahresverlauf auch der heimische Konsum anspringen. Unternehmensinvestitionen und Wohnbau bleiben aber vorerst schwach. Der jetzt einsetzende Aufschwung kommt insgesamt mit wenig Dynamik in Gang, ähnlich wie ein Fußballteam, das sich nach einer langen Abwehrschlacht mühsam nach vorne kämpft“, sagte Stefan Kooths, Konjunkturchef des IfW Kiel.

Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erhöht seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum in diesem Jahr leicht von 0,3 auf 0,4 Prozent; für 2025 erwartet es 1,5 Prozent. Die deutsche Wirtschaft erhole sich zunehmend, gestützt von Exporten und privatem Konsum. Die Arbeitslosenquote dürfte 2024 bei 5,9 Prozent und 2025 bei 5,7 Prozent liegen. Die Inflation betrage 2024 voraussichtlich 2,4 Prozent und könnte im nächsten Jahr auf 2,0 Prozent zurückgehen.

„Die deutsche Wirtschaft ist nach den jüngsten konjunkturellen Schocks auf einen Erholungskurs eingeschwenkt, die Risiken für die Konjunktur haben sich verringert. Auch wenn Inflationsentwicklung, grüne Transformation der deutschen Wirtschaft und mögliche internationale Handelssanktionen Risikofaktoren bleiben“, betonte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt.

„In der ersten Jahreshälfte 2024 vermehren sich für Deutschland die Anzeichen für eine konjunkturelle Besserung. Im Sommerhalbjahr wird die Produktion aber wohl nur verhalten ausgeweitet“, geht aus der Sommerprognose des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hervor. Ab Herbst dürfte die Belebung mit höheren Realeinkommen und leicht steigenden Exporten Fahrt aufnehmen und das Bruttoinlandsprodukt 2024 um 0,3 Prozent expandieren. Für das kommende Jahr erwartet das IWH ein Plus von1,5 Prozent (Ostdeutschland: 0,6 Prozent und 1,4 Prozent). Im März hatten die IWH-Konjunkturforscher einen BIP-Anstieg in Höhe von 0,2 Prozent für Deutschland 2024 und ebenfalls 1,5 Prozent für 2025 erwartet.

„Ein Risiko für die internationale und insbesondere die deutsche Konjunktur ist die Möglichkeit einer rasch zunehmenden Fragmentierung der Weltwirtschaft“, so Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Derzeit werde vielfach erwartet, dass die Europäische Kommission im Sommer Strafzölle auf subventionierte chinesische Produkte erhebe, und dass China mit eigenen Zollerhöhungen antworte. Besonders in Mitleidenschaft gezogen würden etwa Unternehmen der Automobilbranche, und zwar auch über europäische Zölle auf in China von deutschen Unternehmen für den europäischen Markt produzierte Fahrzeuge. Unter solchen Bedingungen wären die Chancen für eine Expansion der deutschen Exporte schlecht. Holtemöller: „Es ist zweifelhaft, ob sich eine gesamtwirtschaftliche Erholung in Deutschland ohne außenwirtschaftliche Impulse einstellen könnte.“

Mit Blick auf die Anfang Juni von S&P Global veröffentlichten Mai-Daten des HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI) hatte BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov betont: „Insgesamt sind die Unternehmen zuversichtlicher in Hinblick auf künftiges Wachstum. Ob der positive Trend anhält, hängt aber von stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Hier bleibt abzuwarten, wie die weltweiten politischen Weichen für die Unternehmen im Superwahljahr 2024 gestellt werden.”

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung kommt in seiner neuen Konjunkturprognose zu dem Ergebnis, dass die deutsche Konjunktur sich langsam aus ihrer Schwächephase lösen kann. In diesem Jahr werde das BIP um durchschnittlich 0,1 Prozent wachsen, 2025 um 0,9 Prozent. Positive Impulse für die Wirtschaftsentwicklung kämen vor allem vom privaten Konsum als Folge gesunkener Inflation und höherer Lohnabschlüsse. Ab der zweiten Hälfte 2024 ziehen auch die Exporte und die Ausrüstungsinvestitionen an.

Gegenüber seiner vorherigen Prognose vom März hebt das IMK die Wachstumserwartung beim BIP für dieses Jahr um 0,4 Prozentpunkte und für 2025 um 0,1 Prozentpunkte an. Hintergrund für den etwas positiveren Ausblick sind in erster Linie technische Gründe: Das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2024 sei höher ausgefallen als erwartet, außerdem habe das Statistische Bundesamt den BIP-Verlauf für das vergangene Jahr nach oben revidiert, sodass sich nun eine verbesserte Ausgangslage für die deutsche Wirtschaft ergebe. Darüber hinaus verbessern sich auch die Rahmenbedingungen insgesamt leicht: Der Welthandel dürfte in diesem Jahr um drei Prozent zunehmen, im nächsten Jahr um 3,5 Prozent. Die Europäische Zentralbank, die auf ihrer Sitzung im Juni erste Zinssenkungen beschlossen hat, werde diesen Kurs wohl fortsetzen.

Als mögliche Risiken für die verhalten positive Entwicklung nennt das IMK weitere Eskalationen der Kriege in der Ukraine und Nahost sowie Handelskonflikte zwischen den USA, China und dem Euroraum. Es könnte aber auch besser als erwartet laufen – wenn es zwischen Russland und der Ukraine oder Israel und der Hamas zu Verhandlungslösungen kommen sollte.

 

Frank RöschChefredakteur BIP und eSolution Report+49 6196 5828-155frank.roesch@bme.de
Andreas HermannLeiter Market Research+49 6196 5828-207andreas.hermann@bme.de