„Wir müssen im Sinne unserer Mitglieder gehört werden“
Frau Melnikov, seit sechs Monaten Sie sind nun Hauptgeschäftsführerin des BME. Wie ist Ihr Eindruck vom BME nach dieser Zeit?** Helena Melnikov: Wir haben im BME ein ganz tolles Team, das man so auf Anhieb nicht überall findet. Mit Team meine ich wirklich alle, die hier ihren Beitrag leisten: allen voran die Mitarbeitenden in der Geschäftsstelle, die Freude daran haben, Dinge neu und anders zu machen, obwohl sie nach zwei Jahren Corona-Beschränkungen eine lange Durststrecke hinter sich haben. Dann unsere Mitglieder, die eine extrem solide Basis bilden, auch und vor allem durch die tolle ehrenamtliche Arbeit in den Regionen. Nicht zuletzt haben wir starke Sponsoren und Partner, die uns treu geblieben sind, als wir in der Pandemie Formate umstellen mussten und uns auch jetzt weiterhin begleiten. Und last, but not least: Wir haben einen frischen, dynamischen Bundesvorstand, der Lust hat, etwas zu bewegen. Alles in allem sind das tolle Voraussetzungen, die ich hier vorgefunden habe, und deswegen bin ich auch absolut optimistisch für die Zukunft und das, was wir noch vorhaben. Was ist der Mehrwert, den das Ehrenamt in einen Verband einbringen kann? Ein Verband definiert sich in erster Linie natürlich über seine Mitglieder, aber ganz stark auch über das Ehrenamt. Dieses hat die Aufgabe, das Tagesgeschäft des Verbandes zu reflektieren und zu prüfen, wie die Arbeit der Geschäftsstelle und der Regionen draußen bei den Unternehmen und unseren Zielgruppen eigentlich ankommt. Das Feedback ist unglaublich wertvoll um zu sehen, ob wir auf der richtigen Spur sind. Darüber hinaus haben die ehrenamtlich Mitarbeitenden ein großes Netzwerk, das sie dem Verband zur Verfügung stellen. Das hilft ungemein bei neuen Partnerschaften, Initiativen und Aktivitäten. Wie unterscheidet sich der BME von anderen Verbänden, die Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn schon kennengelernt haben? Was macht ihn besonders? Der BME hat eine sehr große Tiefe und Breite zugleich. Das ist etwas, was in dieser Form nicht viele Verbände vorweisen können. Er macht ja nicht nur klassische Verbandsarbeit – etwa über Fachgruppen, Mitgliederbetreuung oder Karrierebegleitung, um nur ein paar zu nennen –, sondern bietet über seine Tochtergesellschaften auch eine Vielzahl an Events, Seminaren oder Weiterbildungen an und schafft darüber hinaus Plattformen, über die Sponsoren und Dienstleister mit ihren Zielgruppen in Kontakt treten können. Alle, die den BME zum Netzwerken nutzen möchten, können das auf professionelle Weise bei uns tun. Worauf haben Sie in den ersten Monaten den Schwerpunkt Ihrer Arbeit gelegt? Zunächst ging es mir darum, die aktuelle Lage zu erfassen und eine Standortbestimmung zu machen. Ich habe mir Zeit genommen, die Menschen, die im und am BME arbeiten, persönlich kennenzulernen: den Bundesvorstand, die Vorsitzenden in den 38 Regionen, Partner und Sponsoren und nicht zuletzt auch alle Mitarbeitenden in der Geschäftsstelle, mit denen ich jeweils kurze „Coffee Talks“ abgehalten habe. Denn Menschen einfach etwas Neues überzustülpen, ohne zuvor die Hintergründe zu kennen, funktioniert nicht. Ich wollte erst mal den bestehenden Fahrtwind auf- und mitnehmen. Wie schwierig war das inmitten einer Pandemie, wenn man sich fast nie persönlich treffen kann?** Das war schon eine Herausforderung, muss ich sagen. Normalerweise wäre ich durch die Büros gegangen, hätte mich zum Mittagessen verabredet und Veranstaltungen besucht, um möglichst schnell möglichst viel Input zu bekommen. Das hat natürlich alles so nicht stattgefunden. Stattdessen sitzt man den ganzen Tag vor dem Rechner – vor dem alle jetzt schon seit zwei Jahren sitzen – und muss sich damit zurechtfinden. Der Draht, der da entsteht, ist schon ein anderer als im persönlichen Gespräch. Aber so ist die Situation momentan eben und wir hoffen alle, dass das demnächst wieder besser wird.
„Neue Website, neues Logo im ersten Halbjahr 2022 live“
Welche Akzente konnten Sie dennoch in diesen ersten Monaten schon setzen? Ich habe in den erwähnten Gesprächen nicht nur die schier grenzenlose Vielfalt des BME-Angebots kennengelernt, sondern auch festgestellt, dass vieles davon gar nicht bekannt ist – nach innen, aber auch nach außen. Bei vielem von dem, was an uns in der Erwartung herangetragen wird, es umzusetzen, stelle ich beim näheren Hinsehen fest: Das tun wir ja schon längst! Deshalb ist mir wichtig, ein Gesamtbild des BME zu zeichnen, das nach außen und nach innen sicht- und erkennbar wird und für Klarheit sorgt. Wir müssen also unsere Außenkommunikation im Sinne einer guten Außenwirkung – auch im Sinne unserer Mitarbeitenden, die wertvolle Arbeit leisten – verbessern und unsere PS auf die Straße bringen. Dafür haben wir auch schon konkrete Schritte unternommen. Wir arbeiten aktuell an unseren Social-Media-Auftritten, an unserer Website und an der Profilschärfung gegenüber der Öffentlichkeit. Gibt es etwas, das vielleicht auch schon recht bald konkret sichtbar wird? Wenn alles nach Plan läuft, wird unsere neue Website noch im ersten Halbjahr 2022 live gehen. Normalerweise ist so ein Website-Projekt gut und gern auf ein Jahr angelegt, so viel Zeit haben wir aber nicht. Deshalb ziehen wir da jetzt alle an einem Strang und haben uns diesen straffen Zeitplan gegeben. Damit verbunden sein wird ein aufgefrischter Markenauftritt, sprich: Wir unterziehen unser Logo gerade einem kleinen Rebrush. Die Neuerungen werden eine zeitgemäße Prägung haben und dann auch in allen visuellen Formaten des BME zu sehen sein. Was steht für die kommenden Monate sonst noch konkret auf Ihrer To-do-Liste? Digitalisierung. Die hat durch Corona zwar auch im BME einen riesen Schub erfahren, aber gleichzeitig lagen durch Kurzarbeit und die damit verbundenen knappen Ressourcen einige Dinge brach. Da müssen wir jetzt wieder aufholen im Sinne aller: der Mitarbeitenden, der Mitglieder und der Regionen. Denn die kennen ja alle bestimmte Tools aus ihrem beruflichen und privaten Umfeld, die sie sich auch vom BME erwarten. Klar ist aber auch, dass wir nicht alle Sprünge aus dem Stand machen können. Der BME ist zwar finanziell solide aufgestellt, kommt aber eben auch gerade erst wieder aus dem Corona-Tal heraus. Das bedeutet, dass wir bei größeren Investitionen natürlich gut überlegen müssen, wo wir ansetzen, um das Geld sinnvoll einzusetzen. Wir wollen ja keine Schnellschüsse machen, die dann irgendwo verpuffen. Wir machen deshalb gerade eine umfassende Bestands- und Bedarfsanalyse und erstellen Anforderungskataloge, bevor wir dann in die Umsetzung mit Dienstleistern gehen. Der BME hat sich vor einigen Jahren selbst eine „Strategie 2030“ gegeben. Verfolgen Sie diese weiter und wie ist der aktuelle Stand dazu? Die Strategie 2030 spielte von Tag eins an auch für mich eine sehr große Rolle. Wir haben die Mitarbeitenden des Führungskreises in der BME-Geschäftsstelle aktiv in diesen Prozess miteingebunden. Weil alles, was an Projekten in insgesamt sechs Strategiegruppen – von Positionierung über innovative Produkte bis hin zu Werteorientierung und internationale Aktivitäten – geplant ist, bestimmt ja in einem erheblichen Maße unser Tagesgeschäft von morgen. Deshalb haben wir ein ureigenes Interesse, daran mitzuwirken und diese Gruppen zu steuern. In mehreren Workshop-Runden wurden im Herbst und Winter 2021 Projekte definiert, die nun bis Ende 2022 abgearbeitet werden. Sie finden sich somit am Jahresende auch in der Delegiertenversammlung wieder, wo dann weitere Maßnahmen beschlossen werden.
„Die Klammer ist riesig“
Der BME ist kein Branchen-, sondern ein Funktions- oder Berufsverband. Die Herausforderungen der von ihm vertretenen Berufsgruppen sind sehr heterogen. Was bedeutet das für die Arbeit des Verbandes? Das bedeutet vor allem ein enorm großes Gewicht, mit dem wir nach außen agieren können, und eine sehr große Verantwortung. Nicht nur eine Branche oder einen Wirtschaftszweig zu vertreten ist großartig, denn die Klammer ist riesig. Wir vertreten alle Unternehmen, in denen es Einkäufer, Supply Chain Manager und Logistiker gibt! Für das Tagesgeschäft heißt das natürlich, dass wir eine aussagekräftige Stimme haben, wenn wir für unsere Mitglieder sprechen. Wie sieht Ihr persönliches Zielbild für den BME aus? Ich möchte, dass der BME ein schlagkräftiger Verband ist, der in der Öffentlichkeit wahrgenommen und dessen Mitgliedern zugehört wird. Bei allen öffentlichen Debatten rund um „unsere“ Themen muss klar sein, dass der BME dazu etwas Substanzielles beitragen kann und wir deshalb dazu auch gefragt werden. Das heißt, dass der BME sich künftig stärker in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einbringen will, auch in Richtung Politik? Wir müssen vor allem im Sinne unserer Mitglieder gehört werden. Denn die sind ja freiwillig Mitglied in einem Verband, in dem sie nicht sein müssten. Natürlich bekommen sie bei uns für ihren Mitgliedsbeitrag auch eine Vielzahl an Services geboten, aber manche davon könnten sie sich auch woanders organisieren. Die Vertretung der Interessen und die Multiplikation der Stimmen hingegen sind Dinge, die nur ein Verband leisten kann, und das sind deshalb unsere ureigenen in der Satzung festgelegten Aufgaben, die wir im Sinne unserer Mitglieder auch wahrnehmen möchten. Damit Sie unsere Mitglieder auch als Mensch besser kennenlernen: Was beschäftigt und interessiert die Privatperson Helena Melnikov? Wer mich besser kennenlernen möchte, kann mich immer gut mit Essen ködern! (lacht) Ich freue mich daher sehr auf die hoffentlich schon bald wieder zurückkehrenden Gelegenheiten, sich mal bei einem Glas Wein, einem guten Carpaccio, Pelmeni (russisches Nationalgericht, Anm. d. Red.) oder Manty (usbekisches Nationalgericht, Anm. d. Red.) zusammenzusetzen und auszutauschen. Denn dieser Austausch macht schlussendlich diesen Beruf ja auch so besonders. Und wenn wir dann auch noch über Literatur sprechen, dann bin ich voll dabei! Das Gespräch führte Tobias Anslinger, BME
Zur Person
Dr. Helena Melnikov ist seit September 2021 Hauptgeschäftsführerin des BME in Eschborn. Von 2014 bis zur ihrem Wechsel zum BME hatte sie das Amt der Hauptgeschäftsführerin des Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V. inne und fungierte als Geschäftsführerin der dort angeschlossenen Fachverbände. Zuvor war die im Wirtschaftsstrafrecht promovierte Rechtsanwältin beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA) in Berlin als Leiterin der Abteilung Recht und Wettbewerb sowie als Leiterin der Agrarpolitik tätig. Melnikov wurde im heutigen Usbekistan geboren und wuchs in der ehemaligen Sowjetunion auf. Sie ist verheiratet und hat eine Tochter.