„Ohne Einkauf geht momentan fast nichts“
Lieferketten am Leben erhalten, Lagerbestände optimieren, kritische Lieferanten identifizieren: Die Aufgaben im Einkauf sind auch in der Krise die Gleichen. Doch wie volatil die Nachschubversorgung plötzlich sein kann, wird zurzeit besonders deutlich. Was bis vor kurzem noch selbstverständlich war, ist jetzt eine besondere Leistung des Einkaufs und wird auch als solche verstärkt anerkannt, wie Einkäufer übereinstimmend feststellen. Oder, wie es in der Podiumsdiskussion bei der 1. BME Mittelstandsoffensive Mitte Mai formuliert wurde: „Ohne Einkauf geht momentan fast nichts.“ Die BIP-Redaktion griff dieses Statement auf und entwickelte mit Blick auf die Podiumsdiskussion fünf Thesen zur Zukunft im Einkauf.* Die Quintessenz daraus: Neben einer höheren Wertschätzung im Unternehmen werden weitere Auswirkungen der Krise dem Einkauf im Mittelstand – trotz aller Widrigkeiten – Rückenwind verleihen. Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren neben dem Moderator Martin Klett:** Andrea Münch**, Leiterin Einkauf, terranets bw GmbH
Oliver Wüst , Leiter Einkauf, Walther-Werke Ferdinand Walther GmbH
Sabine Machlitt , Geschäftsleitung Einkauf und Finanzen, Karl Knauer KG
Mehr Homeoffice in Sichtweite
So manches Unternehmen hat der Lockdown kalt erwischt. In Übernachtaktionen wurden Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt, IT-Abteilungen leisteten Sonderschichten für eine möglichst reibungsarme Anbindung. Hemmnisse wie Unterschriften in Papierform wurden kurzfristig überwunden und mittels digitaler Unterschriften ad acta gelegt. Mittel- und langfristig dürften die Vorteile des Homeoffice nicht nur den Mitarbeitern klarer geworden sein – keine staubehafteten Arbeitswege oder überfüllte und verspätete öffentliche Verkehrsmittel, konzentrierteres Arbeiten am heimischen Schreibtisch –, sondern auch die Führungsebene dürfte sich aufgeschlossener verhalten. Warum soll in gesunden Zeiten das Homeoffice nicht genauso gut funktionieren wie zu Pandemiezeiten?
Einkauf gewinnt an Strahlkraft
„Ohne Einkauf geht momentan fast nichts“, ist ein Resumée aus dem Mittelstandsforum. Denn ob die Produktion läuft oder nicht, entscheidet sich über die Beschaffung und die Stabilität der Lieferketten. Der Einkauf ist zum wichtigen Sparring Partner im Unternehmen geworden, der weiß, wann welches Material ins Haus kommt und wie die Logistik funktioniert. Da Risikomanagement in einer professionellen Einkaufsabteilung ohnehin Bestandteil der täglichen Abläufe ist, waren eine Reihe von Routinen zur Krisenabwehr bereits etabliert und erprobt.
Krise wird zum Katalysator der Digitalisierung
Seit Jahren hat die Digitalisierung im Einkauf an Fahrt aufgenommen. Die Vorteile zeigen sich aktuell besonders deutlich. Wer vor der Krise bereits in Onlineausschreibungen, digitales Vertragsmanagement oder eine umfassende digitale Lieferantenanbindung investiert hat, profitiert davon, wenn manuelle Kapazitäten gebraucht werden, um akute Probleme konzentriert anzugehen. Da die Geschäftsleitungen sich aktuell viel stärker mit den Risiken in der Beschaffung befassen, steigt die Wahrnehmung für die Belange des Einkaufs und welche Vorteile die bisherige Digitalisierung den Einkauf verschafft hat. Das treibt die Digitalisierung im Einkauf weiter voran.
Mittelstand positioniert sich für Young Professionals
Momentan rudern größere Unternehmen bei Einstellungen zurück, insbesondere gilt das für die großen Konzerne in der Automobilindustrie. Daraus ergeben sich Chancen, um Young Professionals im Mittelstand verstärkt anzuwerben. Hinzu kommt, dass mehr Homeoffice möglich sein wird und eine stärkere Digitalisierung sich im Einkauf etabliert: Das schärft den Blick für die Vorstellungen der Young Professionals. Auch dürften spannende Themen wie Einkaufsstrategien und Risikomanagement nach der Krise an Bedeutung zunehmen, für junge Einkäufer ein durchaus interessantes Spektrum.
Kritischer Blick aufs Maverick Buying
Wenn Fachabteilungen selber bestellen, steigt das Risiko eines Lieferantenausfalls, da in der Regel weniger an alternative Quellen gedacht wird. Darüber hinaus sind Fachabteilungen nicht so erprobt in Verhandlungen. Wer nicht professionell verhandelt, verschenkt allerdings Potentiale und Einsparungen auf der Kostenseite. Die Krise wird den Kostendruck auf die Unternehmen jedoch deutlich steigen lassen. Maverick Buying werden sich eine Reihe von Unternehmen schlichtweg nicht mehr im bisherigen Umfang leisten können.
Einkaufsbarometer Mittelstand 2020: Machen Sie mit!
Jährliche Online-Umfrage zu kritischen Erfolgsfaktoren im Einkauf: Wo steht der Mittelstand aktuell in der Digitalisierung? Welche Trends beschäftigen den Einkauf im Zuge der Corona-Krise besonders? Teilnehmer erhalten ein kostenloses Exemplar des Einkaufsbarometers 2020. Die Ergebnisse sollen Einkaufsverantwortliche dabei unterstützen, den B2B-Einkauf zukunftsfit auszurichten. Befragung Einkaufsbarometer Mittelstand 2020 *Die Thesen entwickelte Doris Hülsbömer, BME