Offensive für Einkaufserfolge im Mittelstand
Je strategischer sich der Einkauf im Mittelstand ausrichten kann, desto besser werden die Ergebnisse. Im Fokus stehen dabei nicht nur Einsparungen. Der Einkauf hat sich bereits wesentlich breiter aufgestellt, sodass auch Aspekte gefragt sind wie eine professionelle Vernetzung mit Fachabteilungen, ein sattelfestes Krisenmanagement oder ein zukunftsweisendes Innovationsscouting. Wie unterschiedlich allerdings die Wege zu guten Ergebnissen sind, zeigten die vier Referenten am Donnerstagvormittag bei der 1. BME Mittelstandsoffensive digital. Da eine physische Veranstaltung aufgrund der aktuellen Situation nicht möglich war, bot der BME seinen Mitgliedern und anderen Interessenten ein kostenloses, ganztätiges Webinar an.* Mit dem 1. BME-Forum Mittelstandsoffensive digital will der Einkäuferverband Mittelständlern passgenaue Lösungen liefern. Die Veranstaltung ist Teil der BME-Mittelstandsinitiative. Moderiert wurde die Vormittagssession von Tobias Anslinger, Chefredakteur des BME-Verbandsmagazins BIP-Best in Procurement. Am Webinar nahmen rund 200 Einkaufsexperten teil. „Wie schafft man den Neuanlauf?“, stellte Ulrich Weigel eingangs in den Raum. Die Konzentration auf Kernkompetenzen bilde einen wichtigen Ansatz, doch darüber hinaus sei der Einkäufer gerade in der aktuellen Situation auch als Krisenmanager gefordert. „Einkäufer sollten jetzt den Mut haben, Verantwortung zu übernehmen“, so der ehemalige Bereichsleiter Einkauf bei Leica Camera. Allerdings gelinge dies nicht ohne eine Anbindung an den Vorstand. Nur so öffneten sich Türen, die den Aktionsradius vergrößern.
Partieller Preisvergleich stärkt Position
Kommunikation und Vernetzung sind weitere wichtige Aspekte für eine zunehmende Professionalisierung im Einkauf im Mittelstand. Ulrich Weigel hat sich daher halbjährlich mit Kollegen aus den Schnittstellen ausgetauscht, darunter Logistik oder R&D. Einen Schritt weiter ging Emily Winter, Geschäftsressortleiterin Einkauf bei der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie. Bei dem Aufbau einer Einkaufsorganisation setzte sie bewusst auf bereits gut vernetzte Kollegen in der Gewerkschaft, die sie für ihre Abteilung gewinnen konnte. Damit gelang auch die Einbeziehung weiterer Gewerkschaften zur Bündelung von Bedarfen. Mit ihrem Team konnte sie einen Einkauf auf der grünen Wiese aufbauen und die vorher dezentralen Bestellungen in der zweitgrößten deutschen Gewerkschaft in ein modernes Einkaufsmanagement überführen. Wesentliches Ziel war die Strukturierung einer optimalen Lieferanten- und Dienstleisterbasis mit einem passgenauen Preis- und Leistungsverhältnis. „Das erforderte die frühe Einbindung bereits in der Planungsphase von Projekten“, erklärte die Einkäufern. Nur so gelinge dem Einkauf die Wertsteigerung. „Durch Late Involvement entstehen die meisten Monopolisten“, bestätigt Ulrich Weigel. Bei Leica hat er in seiner Kostenanalyse die 740 Einzelteile der Leica M9 kritisch hinterfragt. „Dafür habe ich eine alte Waffe genutzt: den partiellen Preisvergleich.“ Denn die meisten Mittelständler kämen nicht an Open Books Kalkulationen ihrer Lieferanten, „und wenn, dann nicht an ehrliche“. Mittels solcher Tabellen gelinge aber ein besserer Überblick über Kostenkomponenten; der Verhandlungsspielraum mit dem Lieferanten wächst.
Daten schaffen Handlungsspielräume
„Der Einkauf im Mittelstand bewegt sich hin zu den wichtigen großen Themen“, ist die Beobachtung von Reinald Schneller, Geschäftsführer von Netfira. Dabei werde der operative Einkauf mehr und mehr von technischen Systemen übernommen, die eigenständig Lieferantenselbstausküfte empfangen und prüfen, Anfragen an Lieferanten und Bestellungen versenden oder Rechnungen prüfen. Was bisher noch manuellen Aufwand erfordere, sei die Verarbeitung unstrukturierter Daten. „Und hier kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel“, erklärt Schneller. Wie eine menschliche Intelligenz ließen sich über Netfira SaaS unstrukturierte Daten und Dokumente verarbeiten. Ein kleineres Unternehmen mit rund 20 Mitarbeitern könne durch ein solches Tool beispielsweise rund 30 Arbeitsstunden wöchentlich einsparen. Bei dem Maschinenbauunternehmen SMT Scharf ist Tanja Waltermann intensiv in Datenanalysen eingestiegen. „Ein gutes Stammdatenmanagement ist entscheidend für die Digitalisierung“, so die Erfahrung der Einkaufsleiterin. Sie sieht Stammdaten als Herzstück eines jeden Unternehmens, die wichtig seien zur Steigerung der Prozesseffizienz. Als Tool nutzt sie Excel. Ein weiterer Schritt war die Ausweitung des bereits vorhandenen SAP-Systems, neue Tools waren für die Verbesserung der Datenlandschaft nicht notwendig. Quellen der Stammdaten des Unternehmens sind Materialien, Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten. Als Kriterien für eine gute Datenqualität sieht sie unter anderem Redundanzfreiheit, Relevanz, Korrektheit, Aktualität oder Vollständigkeit. „Gutes Stammdatenmanagement ist notwendig für die Digitalisierung“, unterstreicht Waltermann. *Von der 1. BME Mittelstandsoffensive digital berichtete Doris Hülsbömer, BME. Weitere Inhalte aus der Online-Konferenz gehen in die nächste Ausgabe des BME-Verbandsmagazins BIP-Best in Procurement ein.