BME rmr: „Incoterms 2020 – Was hat sich verändert?": Drei Buchstaben sagen mehr als 1000 Worte
Es ist die Internationale Handelskammer (International Chamber of Commerce): Sie veröffentlichte im September 2019 die Incoterms 2020. Die standardisierten Lieferbedingungen wurden zuletzt vor rund zehn Jahren aktualisiert und gehören zum Rüstzeug nahezu jedes Einkäufers. Umso erstaunlicher ist es, dass der Umgang mit ihnen immer noch viele Schwierigkeiten bereitet. Im ungünstigen Fall kann das zu überraschenden – und überraschend hohen – Zahlungsverpflichtungen führen. Lars Gempp kennt die Stolpersteine im Außenhandel ebenso gut wie die Incoterms. Bei einer Veranstaltung des BME rmr zeigte er auf, was sich mit der 2020er-Version verändert hat und worauf in Vertragsverhandlungen besonders zu achten ist. Gempp ist gelernter Speditionskaufmann und Verkehrsfachwirt. Hauptberuflich leitet er den Bereich Zoll und Exportkontrolle für den Pharmakonzern Novartis in Deutschland. Seine Ausführungen im Palais Livingston in Frankfurt waren passgenau auf Einkäufer ausgerichtet und das kam nicht von ungefähr: Als Vorsitzender der BME-Region Freiburg-Südbaden weiß er, wo ihnen der Schuh in der Praxis am häufigsten drückt. In seiner Rolle als akkreditierter Incoterms-Trainer deckte er viele „Schmerzstellen" schnell auf: Die Incoterms gelten seit Jahresbeginn? Falsch, seit September 2019. DDP (Delivered Duty Paid, geliefert, Zoll und Steuer bezahlt) ist die beste Klausel, die es für Einkäufer gibt? Weit gefehlt! Es reicht, wenn in den AGB Bezug auf die Incoterms genommen wird? Nein, sie gehören in den Kaufvertrag, und zwar möglichst mitsamt relevanter Detailinformationen. Aber der Reihe nach: Die Veranstaltung fand im Palais Livingston in Frankfurt statt, das einen in diesen Zeiten wesentlichen Trumpf ausspielen konnte: Es verfügt über ein sorgsam ausgearbeitetes Hygienekonzept, an das sich alle Besucher respektvoll und unkompliziert gehalten haben. „Incoterms sind kein Gesetz, sondern eine Handlungsempfehlung“, erklärte Lars Gempp einleitend. Niemand sei gezwungen, sie anzuwenden. Sinnvoll ist es aber häufig: Mit den insgesamt elf Klauseln werden wesentliche Regelungsinhalte zum Kosten- und Gefahrenübergang in drei Buchstaben gepackt, über die auf beiden Seiten Einigkeit herrscht – oder herrschen sollte. Die 2010er-Version ist nicht ungültig geworden. Wird die Jahreszahl in den Verträgen jedoch nicht spezifiziert, gilt immer die aktuellste Version – also die aus 2020. Die Anwendung der Incoterms wurde wesentlich vereinfacht, berichtete der Experte. Für wiederholte Verwirrung sorgte beispielsweise die Klausel DAT (Delivered at Terminal, geliefert Terminal): „Viele haben das aufgrund des Begriffes Terminal nur mit dem Schiffstransport gleichgesetzt.“ Die Klausel wurde durch DPU (Delivered at Place Unloaded, geliefert benannter Ort entladen) ersetzt. Anhand einiger Fallbeispiele zeigte – und zeichnete – er auf, dass es sich bei den Änderungen mitnichten nur um kosmetische, sondern um inhaltlich relevante handelt.
Kleine Kürzel, große Wirkung
Hinzu kommen Stolperfallen, die teilweise auch schon bei den vorhergehenden Incoterms lauerten. Um sie zu umgehen, behelfen sich viele Einkäufer (und auch Verkäufer) mit Grafiken, die sie aus dem Internet ziehen und die die elf Klauseln und ihre Inhalte übersichtlich und farblich auffällig auf wenige Kästchen oder Balken herunterbrechen. Gempp betonte aber, dass die Regelungsinhalte schlicht zu komplex seien, um sie so stark zu vereinfachen. Umso spannender war seine Beschreibung der drei häufigsten Praxisfehler – auf sie beschränkte er sich, um anschließend noch ausreichend Zeit für Fragen aus dem Auditorium zu haben. Fehler Nummer 1 ist eine ungenügende Benennung in den Verträgen. Statt lediglich EXW (Ex Works, ab Werk) wäre beispielsweise richtig: EXW New York Incoterms 2020. Damit ist nicht nur die verabredete Version der Klauseln spezifiziert, sondern auch der Ort. Bei globalen Konzernen kann das Werk ansonsten in vielen verschiedenen Orten auf der Welt stehen. Fehler Nummer 2 ist die Benutzung falscher Klauseln. Wie DDP, auf das Einkäufer, siehe oben, gerne zurückgreifen. Mitunter kann der Verkäufer die Ware im Zielort gar nicht verzollen – oder er kann es falsch machen. In beiden Fällen muss der Käufer einspringen – spätestens, wenn Zollprüfer in die Bücher schauen und stutzig werden. „Nutzen Sie stattdessen DAP und übernehmen Sie die Verzollung selbst. Das kostet Sie zwar die Abfertigungsgebühr, aber Sie vermeiden sehr viel Ärger.“ Fehler Nummer 3 schließlich ist fehlendes Wissen. Viele Unternehmen würden an Schulungen oder relevanter Basisliteratur sparen. „Aber was bedeutet diese kleine Investition im Vergleich zu Gerichtsstreitigkeiten?“ Eine rhetorische Frage. Lars Gempp empfahl unter anderem, eine unternehmensinterne Richtlinie zu Lieferbedingungen zu erarbeiten. Darin sollten beispielsweise nicht gewünschte Bedingungen ausgeschlossen werden. Die Anzahl der bevorzugt genutzten Klauseln sollte gering gehalten werden. Er wäre nicht Incoterms-Experte, wenn er das alles nicht auch in wenigen Buchstaben zusammenfassen könnte: „Handeln Sie!“ David Schahinian