Aussichten für Wirtschaftserholung weiter gut
Die deutsche Wirtschaft zeigte sich trotz des erneuten Lockdowns und den damit verbundenen wirtschaftlichen Einschränkungen im Endspurt des vergangenen Jahres auf stabilem Kurs. Während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Euroraum pandemiebedingt im 4. Quartal um 0,6 Prozent nachgab, konnte Deutschland ein Wachstum von 0,3 Prozent verzeichnen, heißt es in einer aktuellen KfW-Pressemitteilung.
BIP-Prognose
Aufgrund des weiterhin erhöhten Infektionsgeschehens und des anhaltenden Lockdowns erwartet KfW-Research dennoch einen schwierigen Start ins neue Jahr mit einem BIP-Rückgang in Höhe von 1,5 bis drei Prozent im ersten Quartal. Bei erfolgreicher Zurückdrängung des Virus und Vermeidung einer dritten Welle dürfte Deutschland 2021 laut KfW-Prognose bei insgesamt 3,3 Prozent Wachstum das Vorkrisenniveau gleichwohl schon im vierten Quartal wieder erreichen; im Euroraum sei damit trotz eines zu erwartenden Plus von 4,6 Prozent erst 2022 zu rechnen.
Wirtschaftliche Perspektiven
„Im Herbst konnte die kräftige Erholung der Industrie die absehbaren Wertschöpfungsrückgänge in den eingeschränkten Dienstleistungsbereichen noch gut kompensieren“, erläutert Dr. Fritzi Köhler-Geib , Chefvolkswirtin der KfW-Bankengruppe (siehe auch BME-Interview). „Da der aktuelle Winter-Lockdown nun aber deutlich länger dauert als der erste im vergangenen Frühjahr und der Schwung in der Industrie voraussichtlich etwas nachlässt, erwarten wir mit minus 1,5 bis minus drei Prozent einen schwierigen Start in das Jahr 2021. Zwar sind die Neuinfektionen seit Mitte Januar kontinuierlich gesunken, jüngst kam der Rückgang jedoch zum Stillstand. Dahinter dürfte die zunehmende Verbreitung der ansteckenderen britischen Virus-Variante B.1.1.7 stehen, die im ungünstigen Fall sogar in eine dritte Infektionswelle münden könnte. Dies und der schleppende Impfstart legen eine vorsichtige Lockerungsstrategie nahe.“ Für den weiteren Verlauf des Jahres seien die Perspektiven wieder besser. Mit steigender Immunisierung würden im Frühling Lockerungen zum Beispiel im Gastgewerbe möglich sein, was im zweiten Quartal zu einer Erholung der Dienstleistungen beitragen werde. Ab dem dritten Quartal sei damit zu rechnen, dass die gesamtwirtschaftlich relevanten Restriktionen weitgehend aufgehoben werden können, was einen weiteren Wachstumsschub auslösen werde. Bei einem Wachstum von voraussichtlich 3,3 Prozent im Gesamtjahr 2021 (Vorprognose vom November 2020: +4,0 Prozent) werde das Vorkrisenniveau nach zwei Jahren, also im 4. Quartal 2021 wieder erreicht. Für 2022 werde eine ähnlich hohe Wachstumsrate von 3,4 Prozent erwartet (Erstprognose).
Eurozone
Für die Eurozone sei qualitativ eine ähnliche Konjunkturentwicklung zu erwarten wie für Deutschland, allerdings werde hier erst für Anfang 2022 mit einer Rückkehr des BIP auf das Vorkrisenniveau gerechnet. Die Eurozone dürfte 2021 zwar mit 4,6 Prozent (Vorprognose: +5,1 Prozent) voraussichtlich stärker wachsen als Deutschland. Es brauche aber mehr Zeit, bis der weit stärkere pandemiebedingte Rückgang von 6,8 Prozent im Jahr 2020 (Deutschland: -4,9 Prozent) aufgeholt sei. Besonders der in einigen Ländern wichtige Tourismus werde sich langsamer erholen als andere Wirtschaftsbereiche. Köhler-Geib: „Corona bleibt vorerst das größte Konjunkturrisiko. Die Pandemie entwickelt sich aufgrund vielfältiger Faktoren von Virusmutationen über Eindämmungsmaßnahmen bis hin zu Fortschritten bei der Impfkampagne hochdynamisch und beeinflusst damit unmittelbar die Chancen auf wirtschaftliche Erholung ebenso wie die nach wie vor erheblichen Abwärtsrisiken.“
DIW-Prognosen
Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW Berlin) dürfte die deutsche Wirtschaft zu Jahresbeginn um etwa 1,5 Prozent schrumpfen. Die hohen Infektionszahlen und die daraus resultierenden Einschränkungen belasten die wirtschaftliche Entwicklung – allerdings nicht in dem Maße wie im vergangenen Frühjahr, als die Produktion in vielen Bereichen praktisch zu Stillstand kam. Trotz des anhaltenden Lockdowns stimmen die Signale aus der deutschen Wirtschaft zuversichtlicher als vor knapp einem Jahr: „Vor allem die Industrie kommt bislang robust durch den Winter“, sagt DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. Trotz vorübergehender Knappheit bei wichtigen Vorleistungsgütern in der Automobilindustrie dürfte die Industrie ihr Produktionsniveau des Schlussquartals 2020 zu Beginn des laufenden Jahres in etwa halten. Aber auch die Dienstleistungsbereiche kommen laut DIW-Angaben offenbar besser durch den Lockdown als noch vor knapp einem Jahr – zum Teil sogar Branchen, die staatlich verordnet ihren Betrieb ganz oder zu einem erheblichen Teil einschränken müssen. Während diese erneut erheblich unter den Maßnahmen leiden, dürften sich die Unternehmen in vielen anderen Bereichen mittlerweile auf die Lage eingestellt haben und blicken angesichts des – wenn auch schleppenden – Impffortschritts optimistischer voraus, heißt es in der DIW-Pressemitteilung weiter. Das DIW-Konjunkturbarometer – ein statistisches Modell basierend auf einer Vielzahl von Indikatoren – deute mit einem Wert von 111 Punkten auf ein Wachstum für das erste Vierteljahr hin. Unter normalen Umständen spräche dies für eine deutliche Ausweitung der Wirtschaftsleistung. Allerdings liegen für viele Dienstleistungsbereiche wie Bildung, Kinderbetreuung oder das Gesundheitswesen nur wenige Informationen vor. Diese Bereiche schwanken üblicherweise nicht so stark, werden aber jetzt durch den Lockdown erheblich beeinträchtigt. Das Barometer überzeichnet damit die konjunkturelle Dynamik deutlich, teilt das DIW abschließend mit.
Industrieunternehmen optimistischer als Gesamtwirtschaft
Die deutsche Industrie blickt wieder etwas zuversichtlicher in die Zukunft als noch im vergangenen Herbst. Das zeigt eine entsprechende Sonderauswertung der jüngsten DIHK-Konjunkturumfrage. An den Befragungen der Industrie- und Handelskammern zu Jahresbeginn 2021 beteiligten sich knapp 8.000 Industrieunternehmen, informiert der DIHK auf seiner Homepage. Danach beurteilen 31 Prozent von ihnen ihre Geschäftslage als gut, im Herbst 2020 seien es noch 23 Prozent gewesen. Ein Viertel (zuvor ein Drittel) schätze die Lage negativ ein. Der daraus resultierende Saldo von aktuell sechs Punkten liege damit zwar über dem der Vorgängerumfrage (minus zehn Punkte), jedoch weiterhin deutlich unter der Einschätzung von Anfang 2020 (Saldo plus 16) und dem langjährigen Durchschnitt von plus 23 Punkten.
Exporterwartungen heben die Stimmung
Bei den Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate seien die optimistischen Stimmen in der Überzahl (Saldo plus acht Punkte, Vorumfrage: fünf Punkte). Dass die Industrie im Vergleich der Wirtschaftszweige zuversichtlich sei, zeige sich vor allem bei den Exporterwartungen: Diese fallen günstiger aus als in den beiden Vorumfragen und auch positiver als in der Erhebung zu Jahresbeginn 2020. 30 Prozent der exportierenden Industrieunternehmen rechneten mit einer Zunahme der Ausfuhrtätigkeit, ein Fünftel erwarte jedoch Rückgänge (Saldo: neun Punkte). Aber auch bei den Exporterwartungen reichten die jüngsten Werte nicht an den langjährigen Durchschnitt der DIHK-Konjunkturumfragen heran (19 Punkte). Unterm Strich gehen laut DIHK-Angaben 37 Prozent der Unternehmen für die kommenden zwölf Monate von Umsatzzuwächsen aus, 23 Prozent stellen sich auf Rückgänge ein. Auch hier sei die Industrie, nicht zuletzt aufgrund der Exporte, günstiger aufgestellt als die anderen Wirtschaftszweige (in der Gesamtwirtschaft erwarten 27 Prozent der Betriebe Umsatzsteigerungen, 28 Prozent Umsatzrückgänge).
Krisendynamik ist anders als 2009
Im Vergleich der Corona-Krise mit der Finanzkrise elf Jahre zuvor zeigten sich einige Unterschiede. Zum einen sei der Einbruch bei der Beurteilung der Geschäftslage 2020 sichtlich weniger stark ausgefallen als 2009, wenngleich das BIP in ähnlichem Ausmaß gesunken sei. Der Tiefpunkt der Erwartungen liege aktuell auf einem vergleichbaren Niveau wie in der Finanzkrise. Zum anderen scheinen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie die Industrieunternehmen unvorbereiteter getroffen zu haben als die Finanzkrise. 2009 hatten die Erwartungen den Rückgang der Geschäftslage bereits angekündigt. Analog zum steilen Einbruch habe die Erholung jetzt aber schneller eingesetzt als damals. Das Abknicken der Erwartungen am aktuellen Rand sei wiederum kein gesteigertes Hoffnungssignal für einen weiteren ungebremsten Industrieaufschwung.
Nachfrage und Ressourcenpreise sind die Hauptrisiken
Den vergleichsweise günstigen Geschäftserwartungen stehen zudem deutliche Abwärtsrisiken gegenüber. 61 Prozent der Industrieunternehmen sehen in der Inlandsnachfrage ein Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Lediglich im Handel ist der Anteil höher. Aber auch die Entwicklungen auf den ausländischen Märkten bereiten den Unternehmen Sorgen: 46 Prozent der exportierenden Unternehmen bewerten die Auslandsnachfrage als Risiko. Ebenfalls knapp die Hälfte der Industriebetriebe (45 Prozent) sorge sich um steigende Energie- und Rohstoffpreise. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen werden von 42 Prozent der Betriebe genannt. Von Fachkräftemangel und steigenden Arbeitskosten sehe sich jeweils ein Drittel der Industrieunternehmen bedroht.
Liquiditätssorgen drücken auf die Investitionspläne
Beinahe jeder vierte Industriebetrieb berichte im Zuge der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage von schrumpfendem Eigenkapital. Mehr als jedes siebte Unternehmen verzeichne Liquiditätsengpässe. Das schmälere die (Vor-) Finanzierung von Maschinen und Produkten und drücke unterm Strich auf die Investitionspläne der Industriebetriebe. So hätten 28 Prozent der Unternehmen vor, ihre Investitionstätigkeit zurückzufahren (Saldo minus ein Punkt). Bei den Betrieben, die von Eigenkapitalrückgängen beziehungsweise Liquiditätsengpässen berichten, sei der Anteil beinahe doppelt so hoch (jeweils 52 Prozent). Neben Investitionen in die Ersatzbeschaffung (64 Prozent), in Rationalisierungsmaßnahmen (44 Prozent) und in Produktinnovationen (37 Prozent) wollen die Unternehmen wieder leicht verstärkt in Kapazitätsausweitungen (27 Prozent) und in den Umweltschutz (26 Prozent) investieren. Generell seien die Investitionsabsichten von kleinen und mittleren Unternehmen in der Industrie eher verhalten – insbesondere die Pläne zu Kapazitätsausweitungen weit von den sehr guten Jahren 2017 bis 2019 entfernt. Im Größenvergleich zeige sich, dass der kleinere Mittelstand sich bei Investitionen stärker zurückhalte als Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitenden. Die Beschäftigungspläne wurden in der Industrie zwar nach oben revidiert, sie bleiben insgesamt aber restriktiv. Save the Date: Die finalen Februar-Daten des IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) werden am 1. März 2021 veröffentlicht. Der EMI ist ein bewährter Frühindikator für die Entwicklung der Wirtschaft, insbesondere der Industrieproduktion, in Deutschland. Für weitere Informationen:
Frank Rösch , BME-Konjunktur- und Rohstoffmonitoring (E-Mail: frank.roesch@bme.de)