29.09.2022Konjunktur

Energiekrise lässt deutsche Wirtschaft einbrechen

Forschungsinstitute der Gemeinschaftsdiagnose Herbst halbieren annähernd ihre im Frühjahr aufgestellte BIP-Prognose für 2022 und erwarten nur noch ein Plus von 1,4 Prozent. Für das kommende Jahr revidieren sie ihre Schätzung von 3,1 Prozent auf -0,4 Prozent nach unten.
Auch wenn die Forschungsinstitute in ihrer aktuellen Gemeinschaftsprognose für den kommenden Winter bei normalen Witterungsbedingungen mit keiner Gasmangellage rechnen, bleibe ihrer Ansicht nach die Versorgungslage äußerst angespannt.© Wilfried Pohnke/pixabay.com

Die krisenhafte Zuspitzung auf den Gasmärkten belastet die deutsche Wirtschaft schwer. Die stark gestiegenen Gaspreise erhöhen die Energiekosten drastisch und gehen mit einem massiven gesamtwirtschaftlichen Kaufkraftentzug einher, geht aus der in Berlin veröffentlichten Gemeinschaftsdiagnose Herbst der Forschungsinstitute hervor.

Trotz eines Rückgangs in der zweiten Jahreshälfte dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 um 1,4 Prozent ausgeweitet werden. Allerdings halbieren die Institute damit ihre im Frühjahr aufgestellte Prognose für dieses Jahr. Für 2023 erwarten die Institute im Jahresdurchschnitt einen BIP-Rückgang um 0,4 Prozent, für 2024 einen Anstieg um 1,9 Prozent.

Vor allem in der Senkung der Prognose für 2023 von ursprünglich 3,1 Prozent auf minus 0,4 Prozent zeige sich das Ausmaß der Energiekrise. Die Wirtschaftsleistung fallen den weiteren Angaben zufolge im laufenden und im kommenden Jahr insgesamt um 160 Milliarden Euro niedriger aus, als noch im Frühjahr zu erwarten war. Die Inflationsrate dürfte sich in den kommenden Monaten weiter erhöhen. Jahresdurchschnittlich ergibt sich für das Jahr 2023 mit 8,8 Prozent eine Teuerungsrate, die nochmals leicht über dem Wert des laufenden Jahres von 8,4 Prozent liege. Erst 2024 werde die Zwei-Prozent-Marke allmählich wieder erreicht.

Der Grund für die Verschlechterung der konjunkturellen Aussichten seien vor allem die reduzierten Gaslieferungen aus Russland. Mit ihnen sei ein erheblicher Teil des Gasangebots weggefallen und auch das Risiko gestiegen, dass die verbleibenden Liefer- und Speichermengen im Winter nicht ausreichen werden, um die Nachfrage zu decken. Vor diesem Hintergrund seien die Gaspreise in den Sommermonaten in die Höhe geschossen. Die Unternehmen hätten bereits damit begonnen, ihren Gasverbrauch spürbar einzuschränken. Auch wenn die Institute für den kommenden Winter bei normalen Witterungsbedingungen mit keiner Gasmangellage rechnen, bleibe die Versorgungslage äußerst angespannt. Mittelfristig dürfte sich die Lage zwar etwas entspannen, dennoch dürften die Gaspreise deutlich über Vorkrisenniveau liegen. Dies bedeute für Deutschland einen permanenten Wohlstandsverlust.

„Der russische Angriff auf die Ukraine und die daraus resultierende Krise auf den Energiemärkten führen zu einem spürbaren Einbruch der deutschen Wirtschaft“, sagt Torsten Schmidt, Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Sprecher der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose. Die hohen Energie- und Lebensmittelpreise, die im kommenden Jahr weiter ansteigen dürften, sorgten für deutliche Kaufkraftverluste.

In einer ersten Reaktion auf die jüngste Gemeinschaftsdiagnose der Forschungsinstitute sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben: „Rekordinflationsraten, insbesondere die explodierenden Energiepreise, treffen viele Unternehmen ins Mark. Produktionsstopps, Wertschöpfungsverluste, die Verlagerung von Produktion ins Ausland bis zu Betriebsschließungen sind die Folgen. Unsere Wirtschaftsstruktur und auch unser Wohlstand in Deutschland sind zunehmend in Gefahr. Inflation und Energiekrise lassen aktuell keine Aussicht mehr auf einen Aufschwung. Zwar hat das Jahr 2022 hoffnungsvoll begonnen, doch droht nun in diesem Jahr eine Stagnation und im nächsten Jahr eine Rezession.“

Für weitere Informationen: Frank Rösch, BME-Konjunktur- und Rohstoffmonitoring (E-Mail: frank.roesch@bme.de)

Save the Date: Die finalen September-Daten zum S&P Global/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) werden am 3. Oktober 2022 zunächst von S&P Global und danach vom BME veröffentlicht.