BME: Null-Covid-Strategie Chinas zwingt Einkäufer zum Handeln
Die Null-Covid-Politik der chinesischen Staatsführung setzt die Lieferketten und Produktionsbänder einzelner deutscher Industriebetriebe erneut unter Druck. „Gerade in den vergangenen zwei Wochen erlebte die größte Volkswirtschaft Asiens stark ansteigende Corona-Fallzahlen in einer noch nie dagewesenen Dynamik. Dadurch nehmen die Einschränkungen im täglichen Geschäftsleben, unter anderem auch in großen Städten wie Shanghai und Beijing, wieder massiv zu“, betont Riccardo Kurto, Büroleiter China des BME.
Ausgedehnte Testpflichten, Quarantäneverordnungen und stark eingeengter Inlandsreiseverkehr seien die Folge. Nach Einschätzungen des BME-Partnernetzwerks in China dürften die Corona-bedingten Restriktionen in den Ballungsräumen des Landes in den kommenden Wochen eher noch zunehmen, um einen weiteren schnellen Anstieg der Fallzahlen zu verhindern. Dies habe aber unmittelbare Auswirkungen auf die Firmen. So könnten ihre Mitarbeiter wegen strenger Isolationsvorgaben nicht oder nur eingeschränkt zum Arbeitsplatz kommen.
„Die Gefahr ist durchaus real, dass diese Dynamik früher oder später auch Beschäftigte von Hafengesellschaften trifft und somit wieder zu Verzögerungen und Preissteigerungen bei der Containerabfertigung führt“, befürchtet Kurto. Dies setze dann unvermeidlich eine sich negativ auswirkende Preis- und Kapazitätsspirale in Gang, die sich zeitversetzt auf Verfügbarkeiten, Produktion und Verbraucherpreise auswirken werde. Der BME empfiehlt daher, die weiteren Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen.
Der Negativtrend komme zur Unzeit, da sich die Frachtraten im Schiffsverkehr zwischen China und Europa zuletzt stabilisiert haben und kaum teurer sind als vor Ausbruch der Pandemie. Die hohen Preise und die starke Nachfrage nach Containerfracht hatten die internationalen Lieferketten in den vergangenen Jahren stark belastet und vieles verteuert. Angesichts der aktuell schwierigen Konjunkturprognosen und der hohen Inflation in Deutschland kommen die zusätzlichen Risiken im China-Geschäft daher zu einem ungünstigen Zeitpunkt für die deutsche Wirtschaft.
Kurto: „Die Null-Covid-Strategie der politischen Führung in Beijing, die EU Nachhaltigkeitsgesetzgebung und die teure Energieversorgung haben für den BME-Expertenkreis China große Auswirkungen auf die Einkaufsorganisationen deutscher und europäischer Unternehmen. Nahezu alle von ihnen betreiben ein verstärktes Multiple Sourcing, um Risiken in den Lieferketten zu diversifizieren.“ Vor allem Südostasien wird, so die Auffassung im BME-Expertenkreis China, als Ausweichstandort zu China zusätzlich an Bedeutung gewinnen.
Die Neuausrichtung der Beschaffungsstrategien brauche allerdings Zeit. Kurzfristig ließen sich von den in China aktiven Einkaufsmanagern deutscher und europäischer Unternehmen nur schwer echte Alternativen zum chinesischen Markt entwickeln. Zudem stünde jahrzehntelang aufgebautes Vertrauen zu chinesischen Lieferanten auf dem Spiel. Bei einer möglichen Rückverlagerung von Produktionskapazitäten nach Europa müssten die Unternehmen laut Kurto „mit deutlich höheren Ausgaben rechnen. Denn bisher punktet der Standort China vor allem mit niedrigeren Lohn- und Energiekosten.“