12.10.2022Veranstaltungen

BME: „Es sind großartige Zeiten für den Einkauf“

Bundesvorstandsvorsitzende Gundula Ullah hat am Mittwoch in Berlin das 57. Symposium Einkauf und Logistik mit knapp 1.200 Teilnehmenden sowie über 90 Ausstellern, Sponsoren und Partnern eröffnet. Die größte Netzwerkveranstaltung des BME endet am Freitag.
57. Symposium Einkauf und Logistik in Berlin gestartet: Unter dem Motto „PRO:CONNECT“ bietet das größte Fach-Event des BME den knapp 1.200 Teilnehmenden eine Plattform für die Diskussion nachhaltiger Beschaffungsstrategien vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Entwicklungen. © Tanja Marotzke/Peter-Paul Weiler, BME e.V.

Die unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Menschenrechte in Lieferketten, steigende Ansprüche der Gesellschaft zu Inclusion, Diversity und Equity sowie mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette waren am Dienstag zentrale Themen des Eröffnungsplenums auf dem 57. Symposium Einkauf und Logistik in Berlin*. Der BME-Kongress fand nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause erstmals wieder als Präsenzveranstaltung statt.

Unter dem Motto „PRO:CONNECT“ bietet das größte Fach-Event für Einkaufsverantwortliche im deutschsprachigen Raum den knapp 1.200 Teilnehmenden sowie über 90 Ausstellern, Sponsoren und Partnern bis Freitag (14.10.) eine Plattform für die Diskussion gegenwärtiger und künftiger Beschaffungsstrategien angesichts dramatischer geopolitischer Entwicklungen. „PRO:CONNECT“ signalisiert – gerade in Krisenzeiten – die besondere Bedeutung des persönlichen Austauschs und der Vernetzung.

„Es sind großartige Zeiten für den Einkauf. Denn wir können in diesen Krisenzeiten viel bewegen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen stützen und stärken“, betonte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Mittwoch in ihrer Begrüßungsrede. In jeder Firma werde heute dringender denn je ein starker, digitaler und innovativer Einkauf benötigt. Deshalb, so Ullah weiter, sei die Zeit des Einkaufs genau jetzt.

Es sind großartige Zeiten für den Einkauf. Denn wir können in diesen Krisenzeiten viel bewegen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen stützen und stärken.

Gundula UllahBME-Bundesvorstandsvorsitzende

Die BME-Bundesvorstandsvorsitzende sieht „gerade in diesen Krisenzeiten hervorragende Chancen für den Einkauf, seine Rolle als Taktgeber im Unternehmen zu stärken“. In diesem Zusammenhang nannte Ullah aus Sicht ihres Verbandes vier zentrale Leitlinien: Zuerst merkte sie an, dass es ohne Digitalisierung nicht gehe. Es komme darauf an, die richtigen Informationen aus dem Data Lake zu fischen, damit „wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Lage versetzen können, die richtigen Strategien zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen“.

Als zweiten Punkt nannte Ullah die geopolitische Zeitenwende. Dabei zeigte sie sich sicher, dass „wir als Einkäuferinnen und Einkäufer in diesen von gravierenden Veränderungen geprägten Zeiten navigieren müssen, um globale Lieferketten stabil zu halten oder auch ausreichend Rohstoffe oder Vorprodukte für unser Unternehmen zu sichern“.

Große Aufmerksamkeit verdiene zudem die sich verschlechternde Konjunktur in Deutschland. Ullah: „Wir alle spüren Inflations- und gleichzeitige Rezessions-Entwicklungen, getrieben durch die Energie- bzw. Gaskrise.“

Abschließend ging die BME-Repräsentantin auf den Klimawandel und die damit verbundenen Aufgaben für die Unternehmen näher ein: „In unserer Einkäufer-Rolle können wir uns den Themen ESG (Environmental, Social, Governance) und Nachhaltigkeit nicht zu wenig zuwenden und sie dürfen nicht hinter den vorgenannten Eskalations-Themen verschwinden. Wir als Einkauf müssen Taktgeber und Schrittmacher einer nachhaltigeren Wirtschaft von morgen sein.“

„Die Menschen und Unternehmen in Deutschland stehen derzeit vor großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen“, betonte Lilian Tschan, Beamtete Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in ihrer Keynote auf dem Eröffnungsplenum. Der schreckliche Krieg Russlands gegen die Ukraine und die daraus folgende Energiekrise, Inflation, gestörte Lieferketten, aber auch die langwierigen Folgen der Corona-Pandemie setzten allen schwer zu. Deshalb bedürfe es einer gemeinsamen Kraftanstrengung, um diese Krise zu meistern. Deutschland benötige aber nicht nur Krisenmanagement, sondern gerade jetzt Fortschritt. So seien der „Schutz von Mensch und Umwelt, Nachhaltigkeit, die Erhaltung der Grundlagen unseres Lebens, aber auch unseres Wirtschaftens wichtige Herausforderungen, die wir gestalten und nicht auf die lange Bank schieben können. Denn sie werden wegen der Krise nicht verschwinden oder warten, bis die Krise vorüber ist“, so Tschan weiter.

Deutschland profitiere wie kaum ein anderes Land von der arbeitsteiligen Weltwirtschaft. Tschan: „Wir sind das drittgrößte Exportland. Auch bei den Importen stehen wir an dritter Stelle. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für die Menschen entlang der Wertschöpfungsketten. Deshalb ist Deutschland national und international eine treibende Kraft für die Einhaltung von Sorgfaltspflichten und für faire Lieferketten. Als Bundesministerium für Arbeit und Soziales geht es uns darum, zu einer besseren Durchsetzung von Arbeits- und Sozialstandards beizutragen.“ Denn die Liste der Länder sei lang, in denen Hungerlöhne gezahlt, Arbeitsschutz vernachlässigt, die Umwelt zerstört oder Gewerkschaftsrechte missachtet werden. 1,4 Milliarden Menschen arbeiteten weltweit unter unwürdigen Bedingungen. Das entspreche der Bevölkerungsanzahl Chinas. Die Zahl der Menschen, die unter Zwangsarbeit leidet, wachse in jüngster Zeit wieder signifikant an. Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zufolge liege ihre Zahl bei knapp 28 Millionen. Das seien Beispiele, die auch mit der Geschäftsbeziehung deutscher Unternehmen in Verbindung gebracht werden. Sie zeigten, dass „wir die Verantwortung der Unternehmen für faire Lieferketten stärken müssen“, fügte die Staatssekretärin hinzu.

Tschan erinnerte daran, dass am 1. Januar 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft tritt. „Mit ihm legen wir Anforderungen an ein verantwortliches Lieferkettenmanagement für Unternehmen fest. Diese erhalten dann einen klaren Gesetzesplan zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Die Anforderungen sind international anschlussfähig und orientieren sich am Standard der UN-Leitprinzipien. Konkret regelt das Gesetz: Unternehmen werden in Zukunft auf Grundlage eines Risikomanagementsystems regelmäßig und anlassbezogen Risikoanalysen durchführen, um menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu identifizieren und zu priorisieren.“

Kathrin Flohr, Geschäftsführerin/Arbeitsdirektorin People & Culture und Ralf Peters, Vice President Procurement der Coca-Cola Europacific Partners (CCEP) erläuterten in ihren Statements, wie der Konzern den ständig steigenden Ansprüchen der Gesellschaft mit Blick auf Inklusion, Diversität und Gleichberechtigung gerecht werde. Unter dem Motto „Everyones’s welcome – be yourself, be valued, belong“ baue der global Player eine „integrative Kultur auf, in der jeder sich selbst sein kann, wertgeschätzt wird und dazugehört“.

Peters informierte, dass CCEP weltweit der umsatzstärkste Coca-Cola-Bottler sei. Die Beschäftigten des Unternehmens produzierten, lieferten und verkauften ihre Marken in 29 Märkten weltweit. Die zukünftige Entwicklung basiere auf drei Säulen – den Menschen, dem Service und den Getränken. Die 33.000 CCEP-Mitarbeiter:innen haben laut Flohr 2021 in Europa, Australien, dem Pazifik und Indonesien einen Umsatz in Höhe von 14,8 Milliarden Euro und einen Gewinn von 1,9 Milliarden Euro erzielt. Zum Netzwerk gehören 15.000 Lieferanten.

Im Rahmen der Philosophie zur erfolgreichen Umsetzung von Inclusion, Diversity und Equality nannte Peters drei Ziele. Es gehe zunächst darum, dass „unsere Belegschaft ein Spiegelbild der Märkte ist, in denen wir tätig sind. Wir streben nach Gerechtigkeit für alle Menschen in unserem Unternehmen und schaffen ein integratives und respektvolles Umfeld.“

„In einem auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmen hat die Supply Chain eine Schlüsselfunktion“, sagte Asmus Wolff, Geschäftsführer Supply Chain und Chief Operating Officer der Alfred Ritter GmbH & Co. KG, auf dem Eröffnungsplenum. Dafür seien langfristige Strategien und Partnerschaften ebenso erforderlich wie die Schaffung von Transparenz für Kunden und Konsumenten.

Mit Blick auf seine Branche und Produktpalette nannte Wolff eine Reihe von Herausforderungen für die Industrie, die für Handlungsdruck sorgten. So befinde sich die Supply Chain im Wandel. Ziele der traditionellen Lieferkette seien unter anderem Kosten, Service, Qualität und Innovation. Die moderne Supply Chain richte den Fokus auf Umwelt, Stabilität, Differenzierung und Soziales.

Die Umwelt werde durch übermäßige Nutzung der Ressourcen beeinträchtigt. Deshalb sei es jetzt wichtig, „echt nachhaltige Wirtschaftskreisläufe“ sicherzustellen.

Die Stabilität leide zurzeit unter den geopolitischen Veränderungen. Die Absicherung der Beschaffungswege sei daher unerlässlich. Differenzierung gehe einher mit den sich ändernden Wertevorstellungen der Verbraucher. Wolff sprach sich hier für eine „Diversifizierung aus der Wertschöpfungskette“ aus.

Der soziale Sektor sei gegenwärtig von wachsender Ungleichheit geprägt. Mit mehr Transparenz und Einhalten der UN-Standards ließen sich Verbesserungen erzielen.

Im Vorfeld des diesjährigen Kongresses hatte Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck in einem Grußwort für das 57. BME-Symposium darauf hingewiesen, dass durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie die Unsicherheiten auf den weltweiten Beschaffungsmärkten stark zugenommen haben. In Kombination mit gestiegenen Energiepreisen führe dies dazu, dass Produktionsabläufe unterbrochen und die deutsche „Wirtschaft nicht selten in eine Art ‚Staccato-Modus‘ versetzt wird. Bewährte globale Lieferketten und funktionierende internationale Logistik sind nicht länger selbstverständlich. Dies verlangt von den Unternehmen in ihrer alltäglichen Arbeit ein Höchstmaß an Kreativität und Flexibilität. Dem intelligenten und vorausschauenden Einkauf kommt dabei mehr denn je eine Schlüsselfunktion zu.“

*Vom 57. Symposium Einkauf und Logistik in Berlin berichtet Frank Rösch, BME

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Frank RöschChefredakteur BIP und eSolution Report+49 6196 5828-155frank.roesch@bme.de