Auslandsgeschäfte deutscher Unternehmen auf Schlingerkurs
Erst Corona-Krise, dann Lieferkettenprobleme und in diesem Jahr russischer Angriffskrieg sowie neuerlicher Lockdown in China – die global engagierten deutschen Unternehmen sehen in diesem Frühjahr keine Verschnaufpause. Im Gegenteil: In den meisten Teilen der Welt stellen sie sich auf anhaltend schlechtere Geschäfte ein. Das geht aus dem AHK World Business Outlook des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hervor, für den die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) rund 4.200 Mitgliedsunternehmen an ihren jeweiligen Standorten in allen Weltregionen befragt haben.
Einer DIHK-Pressemitteilung zufolge gehen mehr als ein Drittel der Unternehmen (37 Prozent) von einer Verschlechterung der Konjunktur vor Ort aus, mehr als doppelt so viel wie noch im Herbst vergangenen Jahres. „Einen ähnlichen Stimmungsknick hatten wir zuletzt im Frühjahr 2020 erlebt, als der erste Corona-Schock die Weltwirtschaft fest im Griff hatte“, kommentiert DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier die aktuellen Einschätzungen. „Jetzt kommen durch den Inflations- und Kostendruck, den Krieg sowie den anhaltenden Lockdown in Shanghai weitere Verschlechterungen der Standortbedingungen hinzu. Unter dem Strich bedeutet das: Wir müssen uns weltweit auf sichtlich schlechtere Geschäfte einstellen.“
Vor dem aktuellen Hintergrund beurteilen im Befragungszeitraum März und April etwas weniger als die Hälfte der deutschen Unternehmen im Ausland (48 Prozent) ihre aktuelle Geschäftslage noch als gut, eine leichte Verschlechterung als in der Herbstbefragung des Vorjahres. Die Zuversicht der Unternehmen auf das eigene Geschäft im laufenden Jahr erleide jedoch einen gehörigen Dämpfer: Der Saldo aus Optimisten und Pessimisten habe sich im Vergleich zur Vorumfrage im Herbst 2021 nahezu halbiert.
Dabei nehmen die auslandsaktiven Unternehmen die konjunkturelle Krise je nach Weltregion sehr unterschiedlich wahr: In Ost- und Südosteuropa (ohne die EU-Länder) sowie Russland und der Türkei beurteilt mehr als jedes zweite deutsche Unternehmen (54 Prozent) die künftige Wirtschaftsentwicklung als schlecht. „Je näher die Unternehmen am Kriegsgeschehen in der Ukraine angesiedelt sind, desto mittel- beziehungsweise unmittelbarer spüren sie die Auswirkungen des Krieges und der damit verbundenen Sanktionen“, so Treier. In der Eurozone sind es immerhin 41 Prozent, die die Konjunkturentwicklung an ihrem Standort negativ bewerten.
Bei der Ländergruppe aus den sonstigen EU-Staaten sowie Großbritannien, Schweiz und Norwegen sind es sogar knapp die Hälfte (47 Prozent). Vor allem steigende Rohstoff- und Energiepreise drücken die Erwartungen bei jeweils rund zwei Drittel der in Europa angesiedelten deutschen Unternehmen. Weltweit sind das immerhin noch 55 Prozent respektive 46 Prozent.
Darüber hinaus klagt gut jedes zweite Unternehmen (53 Prozent) über anhaltende Störungen in den Lieferketten, in China und Nordamerika ist der Anteil sogar noch höher. Unverändert zur Herbstbefragung bleibt der Druck der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ihn benennen gut 40 Prozent der deutschen Unternehmen als Risikofaktor für ihre Geschäfte. Aber auch die Entwicklung der Arbeitskosten wird von 29 Prozent der Unternehmen als ein Hauptrisikofaktor für die eigenen Geschäfte genannt – ein Höchstwert in der Befragung.
Am besten schneidet noch Nordamerika ab, hier sieht sogar gut ein Drittel (36 Prozent) der Unternehmen positiv auf die Konjunktur – gefolgt von Süd- und Mittelamerika (29 Prozent). Entsprechend hoch sind die Investitionsabsichten der deutschen auslandsaktiven Unternehmen in diesen Märkten im Vergleich zu anderen Regionen. Insgesamt aber streichen die Unternehmen an vielen Orten ihre Investitionen aufgrund der weltwirtschaftlichen Unsicherheiten zusammen.