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Dr. Lars Kleeberg ist Hauptgeschäftsführer des BME.© Joern Wolter
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Im Fokus: Selbstbewusstsein - Schwarmintelligenz - Standort Deutschland

Neuer Bundesvorstand, neuer Hauptgeschäftsführer, neue Ausrichtung: Der BME wird sich künftig breiter aufstellen und vor allem dem Mittelstand in Deutschland neue Perspektiven eröffnen – wie immer als bewährter Gestalter von Netzwerken. Im BIP-Interview gibt BME-Hauptgeschäftsführer Lars Kleeberg einen ersten Ausblick und bezieht klar Stellung. Das Interview führte Sabine Ursel.

Herr Kleeberg, der Einkauf steht aufgrund von Disruption, Transformation und brisanter wirtschaftspolitischer Dynamik im besonderen Fokus. Damit steigt die Erwartungshaltung an den Verband. Beschreiben Sie bitte die zukünftige Rolle des BME.

Der BME ist Vernetzer, Netzwerkprovider, Bindeglied, Ratgeber, Vermittler und Vermarkter, Sprachrohr, Gestalter, Impulsgeber und Trendsetter. Daraus ist indes keine Allzuständigkeit abzuleiten. Unsere Aufgabe ist es, agil, schnell und innovativ auf Themen und Bedarfe zu reagieren und Trends zu setzen. In Zukunft wird es verstärkt darum gehen, wesentliche Akteure in Einkauf, Logistik und Supply Chain Management zusammenzubringen und die Zusammenarbeit aktiv zu gestalten. Der BME muss eine zentrale Rolle im Netzwerk einnehmen – und das auf allen Ebenen, offen für alle, lokal bis international.

Interessant ist, dass Sie jetzt auch den lokalen Fokus betonen. Wie kann die Schnittstellenfunktion hier aussehen?

Es geht um Versorgungssicherheit und das Einstellen auf Unsicherheiten, also um Resilienz. Der Mittelstand ist Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor in Deutschland. Der Kategorie KMU gehören rund 3,5 Millionen Unternehmen an. Viele sind außerhalb der Ballungsräume verortet. Stu dien belegen die Deindustrialisierung von Ballungsräumen und die Verteilung von Industriearbeitsplätzen verstärkt in den regionalen Raum.

Ziel ist es, die deutsche Wirtschaft und damit auch das Gemeinwohl zu stärken. Ich sehe eine Europäisierung im Rahmen der Internationalisierung des BME im Vordergrund.

Der Einkauf im Mittelstand ist sehr auf funktionierende Netzwerke vor Ort angewiesen. Wir wollen lokale Netzwerke bereitstellen, beim Auf- und Ausbau von Zuliefer- und Abnehmerbeziehungen helfen und überdies den Unternehmen zu neuen Kunden verhelfen. Ein Faktor sind unsere 38 Regionen, die es tiefer mit lokalen Akteuren vor Ort zu vernetzen gilt. Als Knowledge Hub kann der BME eine Menge bewegen: Synergien schaffen, Austausch und Informationstransfer entlang der Wertschöpfungskette fördern, Erkenntnisse und Standards in Kooperation mit Wissenschaft und Praxis vermitteln sowie Fach- und Führungskräfte qualifizieren.

Welche Partner wollen Sie zur Stärkung des Mittelstandes an den Tisch holen?

Der deutsche Mittelstand erfährt trotz seiner großen Bedeutung viel zu wenig Beachtung. Unsere Schnittstellenfunktion wird in diesem speziellen Fall den Dialog mit Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und lokalen Partnern wie Wirtschaftsförderungen, Kammern und weiteren lokalen Institutionen umfassen. Wichtig ist: Wir müssen rasch vorangehen. Wir können nicht auf neue Rahmenbedingungen warten, die sich irgendwann aus Maßgaben einer neuen Bundesregierung ergeben könnten. Ich weiß aus meiner Zeit bei der Wirtschaftsförderung sehr genau, dass man vor Ort auch viel bewegen kann – vorausgesetzt, die Spielräume werden genutzt. Hier hängt es dann stark von Persönlichkeiten ab, im Rahmen der Verwaltungsprozesse praktikabel und pro Wirtschaft zu agieren. Die Unternehmen brauchen rasch Impulse und Lösungen. Das gilt auch für Betriebe, in denen Verwaltung, Inhaber und Geschäftsführer bisher noch selbst einkaufen. Keiner hat mehr Zeit zu verlieren. Darum muss der BME selbst initiativ werden. Wir haben dafür die Community, die Plattform und die Formate.

Unabhängig vom neuen Deutschland-Fokus: Der BME treibt die Internationalisierung konsequent voran. Welche Schwerpunkte stehen 2025 auf der Agenda?

Der BME wird seine Mitglieder bei ihren Auslandsaktivitäten wieder mit vielfältigen Formaten und Aktivitäten begleiten, etwa mit Matchmakings im Westbalkan und im Baltikum. Ein weiteres Beispiel sind unsere Geopolitik- Briefings. Hier gehen wir auch auf Maßnahmen der neuen US-Regierung ein. Wir ordnen Zusammenhänge und Konsequenzen ein und nennen Handlungsoptionen. In Zukunft wird es aber vor allem darum gehen, die sehr großen Bedarfe an neuen Lieferquellen und Abnehmerbeziehungen in Deutschland und Europa zu erschließen. Ziel ist ja, von globalen Unsicherheiten weniger abhängig zu sein. Es geht um sichere, nachhaltige und resiliente Liefer- und Versorgungsketten – hier nimmt unsere Community eine zentrale Rolle in den Unternehmen ein und trägt damit maßgeblich zum Erfolg unserer Wirtschaft und auch Versorgungssicherheit unserer Gesellschaft bei. Von daher sehe ich Stand heute erstmal eine Europäisierung im Rahmen der Internationalisierung des Verbandes im Vordergrund. Diese Stoßrichtung werden wir im Rahmen unseres Strategie-Workshops Ende März nachschärfen.

Welche Antworten muss der Verband angesichts der diffizilen globalen Lage geben? Was sagen Sie einem CEO oder einem mittelständischen Geschäftsführer?

Meine Botschaft lautet: Sie müssen das professionelle Management von Einkauf, Logistik und Lieferketten als lohnendes strategisches Investment erkennen und dann entsprechend handeln. Die Corona-Phase hat gezeigt, dass diese Fachbereiche höchst erfolgskritische Faktoren sind. Und ich sage ihnen auch: Der Einkauf braucht mehr Freiraum für die wichtige strategische Arbeit. Die frühere Fokussierung auf die drei Zielgrößen Qualität, Preis und Zuverlässigkeit ist im Kern geblieben, aber Themen wie Risikomanagement, Menschenrechte, Reputation, Klimaschutz, Digitalisierung und Berichtspflichten haben zusätzlich Fahrt aufgenommen. Hier muss der Einkauf an den Schnittstellen zu internen Fachabteilungen und externen Partnern entlang der Lieferkette zur nachhaltigen Steuerung ausreichend Freiraum besitzen. Die damit einhergehende Komplexitätserhöhung erfordert gleichzeitig zunehmend mehr Koordinations- und Netzwerkkompetenz. Die Verantwortung für ein strategisches Lieferkettenmanagement muss, wenn ein Unternehmen erfolgreich weiter bestehen bleiben will, im Management Board beziehungsweise der Geschäftsführung in Zukunft mit verankert sein. Auch hierzu muss unsere Botschaft noch gezielter transportiert werden.

Ja, das sollten Sie unbedingt tun. Es reicht schließlich nicht, sich innerhalb der eigenen Blase immer wieder die eigene Wichtigkeit zu bestätigen.

Richtig! Unsere Community muss sich selbst noch besser vermarkten – nach innen, aber auch nach außen. Wir alle dürfen selbstbewusst sein, das gilt auch für den Verband. Wir werden künftig unsere Schwarmintelligenz nutzen. Unsere Mitglieder haben alle auch weitere Netzwerke. Meine Idee dazu ist eine Initiative, die wir mit einer deutschlandweiten Kampagne begleiten. Das Ganze soll den Verband beziehungsweise das Pfund des Einkaufs, der Logistik und des SCM in der Gesellschaft sichtbar machen. Eine zentrale Aussage ist: mit dem BME den Standort Deutschland stärken. Ansätze und mögliche Partner sind da. Unsere Community umfasst mehr als 10.000 Mitglieder und ist bunt und groß genug, um medial hier für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen. Zwei Beispiele für mehr Sichtbarkeit: Wir haben viele Mitglieder aus dem Logistiksektor, die griffige, gut erfassbare Slogans wie die „Initiative D“ auf ihren Transportmitteln und -verpackungen verbreiten könnten. Im vergangenen Jahr wurde rund um das BME-/VDV-Forum Schienengüterverkehr erstmals eine Güterverkehrs-Lok bedruckt. Diese Aktion ging von einem Mitglied aus und kam gut an. Eine weitere Idee: In Schulen und Hochschulen können wir von spannenden Geschichten rund um Einkauf, Logistik und Lieferketten berichten. Es geht um Fachkräfte und Perspektiven von morgen, Einstiegsmöglichkeiten müssen transparent werden. Also: Es gibt diverse spannende Möglichkeiten, um über eine Deutschland-Initiative ein neues umspannendes Netzwerk zu spinnen. Dabei lassen sich dabei auch unsere Auslandspartner einbinden.

Zur Person

Dr. Lars Kleeberg

Hauptgeschäftsführer des BME e.V.

Zum 1. Januar 2025 hat Lars Kleeberg die Position des BME-Hauptgeschäftsführers übernommen. Der promovierte Betriebswirt war zuvor Geschäftsführer der Werra- Meißner-Wirtschaftsförderung GmbH. Kleeberg gehörte von 2012 bis 2016 dem geschäftsführenden BME-Bundesvorstand an. Er folgt auf Helena Melnikov, die zeitgleich die Hauptgeschäftsführung der DIHK in Berlin übernommen hat.

Wie kann der Verband angesichts des War for Talents seine Mitglieder noch besser unterstützen?

Zum einen mit einem breiten und stets aktuellen Qualifizierungsangebot über unsere BME Akademie. Zum anderen bieten wir mit der Job- und Karriereplattform BMEJobSource die Möglichkeit, einkaufsspezifisches Knowhow zielgruppenorientiert einzukaufen. Der Einkäufer der Zukunft ist multidimensional und nicht mehr nur generalistisch unterwegs. Analytische Fähigkeiten, IT-Skills und persönliche Kompetenzen gewinnen an Bedeutung – ohne dass auf bisher zentrale Kenntnisse wie Einkaufsprozesse, Marktkenntnisse und Verhandlung verzichtet werden kann. Die derzeitige geo- und machtpolitische Neuordnung des Welthandels zeigt, welche enormen Chancen, aber auch Risiken in den Sektoren Einkauf, Logistik und SCM liegen. Wir müssen diese Situation als Verband nutzen und die Wichtigkeit und damit auch Attraktivität der entsprechenden Berufe noch mehr herausstellen.

Die Botschaften sind aber bisher noch nicht überallangekommen.

Sie haben recht. Wir müssen selbstbewusster auftreten, und das nicht nur in unserer Community. Wir müssen Chancen, Karrieren und Geschichten aus dem Einkauf früher in die Köpfe der jungen Generation tragen. Einkäufer sind Nachhaltigkeitsmanager, Klimaschützer, Sicherheitsexperten, Menschenrechtler. Sie sind digitale Prozessmanager, Technologie- und Innovationsscouts, Relationship Manager, Einkaufskoordinatoren, Projekt- und Schnittstellenmanager, Einkaufsanalysten und zunehmend auch Data Scientists. Das ist eine zentrale Botschaft an die junge Generation, die nach Sinn- oder Purpose-Maximierung strebt. Einkauf, Logistik und SCM haben transformative Wirkung auf das gesamte Unternehmen. Die Werbung auf Messen, in den sozialen Medien sowie an Schulen und Hochschulen werden wir darum auch verstärken.

Der Einkauf ist eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft. Mein Ziel ist es, Einkauf, SCM und Logistik eine starke Stimme zu geben.

Als Verantwortlicher für Materialwirtschaft und Logistik bei der K+S AG brachten Sie sich bis 2018 im BME-Bundesvorstand und auf BME-Regionsebene ein. Wie haben sich die Verbandsstrukturen seitdem entwickelt?

Das alte Sprichwort „Im Einkauf liegt der Gewinn“ hat weiter Bestand, aber bei Weitem nicht mehr allein in finanzieller Hinsicht. Verändert haben sich die Vielfalt der Themen, die Bedeutung und Aufgaben des Einkaufs, des SCM und der Logistik. Aufgrund von Corona, des Angriffskrieges Russlands, zunehmender Klimaveränderungen, geopolitischer Verwerfungen und einer insgesamt größeren Risikolandschaft hat sich die Bedeutung sicherer, störungsfreier und nachhaltiger Lieferketten weiter erhöht. Damit wurde der Blick auf den Einkauf und die Logistik als systemimmanente Bereiche in Unternehmen stark geschärft. Aber dabei ist noch Luft nach oben. Die BME-Organisation hat im Übrigen auch viel gelernt. So wurde seit Corona einiges digitalisiert. Neue Formate wurden entsprechend angepasst. Das ist gut angenommen worden.

2015 wurde die Strategie BME 2030 verabschiedet. Wo steht man zehn Jahre später?

In den vergangenen vier Jahren haben Vertreter des Bundesvorstandes, der Regionen und der Geschäftsstelle gemeinsam Maßnahmen identifiziert und umgesetzt, die auf die Umsetzung unserer Langfriststrategie BME 2030 einzahlen. Aus einem der Strategiefelder ist zum Beispiel unsere neue digitale Mitgliederplattform für Networking und Best-Practice-Austausch myBME hervorgegangen. Die neu geschaffenen Ausschüsse ergänzen die Stärkung der Austauschmöglichkeiten unserer Community. In den Ausschüssen kann jeder mitwirken, der sich für die Themen Außenhandel, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und KI sowie Mobilität und Logistik interessiert. Sozusagen Think Tanks für alle. Wir werden unsere Vision, unsere strategischen Ziele nun einer Aktualisierung unterziehen und, wo nötig, fortschreiben sowie neu priorisieren. Ein Verband hat seine Relevanz und seinen Mehrwert kontinuierlich unter Beweis zu stellen, vor allem angesichtsveränderter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.

Weitere Themen im Heft

BIP Ausgabe 1/25
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Monitoring & Konjunktur

  • WEF-Report: Konflikte als größte Gefahr
  • Wege aus der Rohstoffabhängigkeit

Procurement & Supply Chain

  • Evonik optimiert Lieferketten
  • Teekanne setzt auf Nachhaltigkeit
  • China: De-Risking als Strategie
  • Frauen im Einkauf & Gender Pay Gap
  • KI als Schlüssel für nachhaltige Beschaffung

Business & Logistik

  • Mehr Güter auf die Schiene
  • Supply-Chain-Risiken managen
  • KI revolutioniert Logistik & Fachkräftesuche

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Frank RöschChefredakteur BIP und eSolution Report+49 6196 5828-155frank.roesch@bme.de